meine erste tao-massage


Es ist ein regnerischer Herbsttag. Der Wind klatscht mit dem Regen vereinzelt bunte Blätter auf meine Windschutzscheibe, die der Scheibenwischer in seinem unerschütterlichen Rhythmus sanft aber konsequent zur Seite schiebt. So als würde er sagen: Ich sorge dafür, dass du das Ziel klar vor Augen hast und dir nichts den Blick darauf versperrt. Meine Hände umgreifen das Lenkrad etwas fester während meine Gedanken mein Ziel umkreisen: Ob ich diese Tao-Massage „all inclusive“ buchen soll? Das ganze Programm? Einen fast fremden Mann meinen Intimbereich berühren lassen? Ich horche in mich hinein und spüre eine Aufregung, die mich lebendig fühlen lässt. Warum nicht? Einen Partner habe ich gerade nicht und es geht ja ohnehin nicht um Sex. Wann hat mich schon je mal jemand dort berührt, ohne dass es um Sex ging? Ich beschließe, dass ich nichts zu verlieren habe. Ich werde mich überall berühren lassen. Ohne Tabus.


Frank öffnet mir die Tür und strahlt aus seinen blauen Augen eine liebevolle Ruhe aus. Wenig später sitzen wir uns gegenüber und reden erst über ein paar Belanglosigkeiten, ehe mir Frank einiges zum Ablauf der Massage erklärt und ich mein „all inclusive“ buche. Ich schenke mir aus einer Wasserkaraffe Wasser ein. Mein Blick gleitet durch den Raum, den einige Kerzen in ein warmes atmosphärisches Licht tauchen. Eine Liege steht bereit. Als ich mich wieder zu Frank wende, hält er mir ein buntes Wickeltuch, einen Lunghi, entgegen. Ich ziehe mich im Nebenraum um.


Als ich den Raum wieder betrete, bettet sanfte, erhabene Musik meine Seele auf Wolkenkissen. Frank hat inzwischen auch einen Lunghi angezogen. Wir stehen uns gegenüber und falten die Hände vor der Brust zusammen. Mit einer leichten Verbeugung eröffnen wir das Ritual. Frank fragt mich, ob er meinen Lunghi lösen darf.


 Ich schlucke. Okay, das ist jetzt etwas intim. Er löst meinen Lunghi und ich stehe nackt vor ihm. Dann fordert er mich auf, es mir auf der Liege in Rückenlage bequem zu machen. Er deckt mich mit dem Lunghi zu, wobei die Fransen des leichten Tuches wohlig über meinen Körper streicheln.

 

 

Ich weiß von seiner Erklärung, dass die sanften Haltegriffe, die ich nun von oben bis unten erfahre, die Chakren öffnen sollen. Während mich Hände mit warmem Öl am Oberkörper berühren, gleite ich in eine andere Bewusstseinsebene. Es ist wunder-schön. Mein ganzer Körper wird langsam, mit zarten Streichel-bewegungen, verehrt. Die Musik trägt mich auf weichen Wellen davon.

 

 

Auf Franks Geheiß hin drehe ich mich um. Meine Beine erfahren sanfte, gleitende Streichbewegungen. Franks Daumen gleitet auf einer Ölschicht immer näher an meinen Anus und streicht zärtlich darüber hinweg. Immer und immer wieder. Bis ich so weit bin, mich in die ungewohnte Berührung ganz hinein zu entspannen. Es fühlt sich ungewohnt gut an. Während Frank sich die Hände desinfiziert, spüre ich nach. Ich bin völlig gelöst, in einem tiefentspannten, meditativen Zustand.

 

 

Irgendwann liege ich wieder in Rückenlage und meine Füße sind an der Reihe. Dann wandern die liebespendenden Hände weiter nach oben und bleiben auf meinen Knien liegen. Eine subtile sexuelle Energie durchströmt meinen ganzen Körper. Wow! Ich habe meinen ersten Knieorgasmus!

 

Wohlig stöhne ich auf. Als Franks Hände weiter nach oben in Richtung meiner Yoni wandern, bin ich gespannt, was mich jetzt erwartet. Doch ich spüre keine sexuelle Erregung. Er streicht sanft zwischen den äußeren und inneren Venuslippen entlang. Ganz liebevoll und absichtslos. Ich spüre, dass hier nicht ein Höhepunkt sondern eine Heilung ansteht. Wie viel negative Energien sind hier gespeichert! Vielleicht nicht nur meine eigenen, sondern auch das kollektive Leid des weiblichen Geschlechts, das schon seit Jahrtausenden andauert? Das, was ich spüre, fühlt sich trostvoll und erfüllend an.


Jetzt beginnen die Hände, meinen Damm zu ertasten und etwas Druck auf die Stelle zu geben, die bei vielen Menschen sehr verspannt ist. Auch das ist höchst ungewohnt. Eine solche Berührung habe ich noch nie erfahren. Als die Berührung aufhört, blinzle ich mich einen Moment lang wieder in den Raum hinein, wo Frank im Licht der Kerzen in etwa einem Meter Abstand von mir mit geschlossenen Augen steht; die Handflächen nach oben haltend. Er scheint sich mit einer Art Energie zu verbinden.


Schließlich sind wir in der letzten Phase der 90-minütigen Massage angelangt. Franks Finger streichen über meine Stirn. Ich spüre, wie sich hier in meinem Kopf ein gewaltiger Druck unter seinen sanften Fingern aufbaut, der nach draußen drängt. Ich lasse es geschehen und spüle laut schluchzend den ganzen emotionalen Schmerz aus meinem Kopf hinaus. Frank reicht mir ein Taschentuch und sagt mir, dass diese Art von Reaktion häufig bei den Tao-Massagen vorkommt. Weil sie die Seele berühren.


Dann tritt er wieder etwas in den Hintergrund und sagt, ich hätte so viel Zeit wie ich wollte, um noch nachzuspüren und liegen zu bleiben. Nach einer Weile recke und strecke ich mich sehr ausgiebig und mit wohligen Seufzern gleite ich wieder zurück in diese Welt.